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.Den Mönchen erwiesen die Kinder Achtung, wie es sich gehört; sie waren auch keine schlechten Reiter, aber alle wünschten sich ein 365chinesisches Fahrrad.Die Chinesen bauten Sägewerke und eine Papierfabrik.Sie bauten eine Bahn und eine Brücke, um Holz nach China zu schaffen.Fortwirtschaft bringt Geld; die Chinesen lebten davon, und die Wälder würden bald sterben.Die Hochebene versandete in der Trockenheit, die Berge wurden von Jahr zu Jahr kahler, die Bäche trockneten aus.Wir wanderten auf zugeschütteten Massengräbern; noch ein oder zwei Generationen, und die Dinge, die seit Jahrtausenden bestanden hatten, würden nicht mehr sein.Die Zeit würde kommen, da keine Erinnerung mehr bestehen würde an das Grausame, das hier geschehen war.Wir würden nur Träume bewahren.Träume von Legenden, von guten Göttern und helfenden Geistern.Die Wandlung vollzog sich bereits: Die krassen wirtschaftlichen Gegensätze schürten den Unfrieden; Raffsucht und Betrug nahmen zu.Ich hatte das Gefühl, immer tiefer in den Wahnsinn zu versinken.Ich betrank mich jede Nacht; und vor meinem inneren Auge flimmerte eine Gestalt, die halb verbrannt über einem Feuer hing…Die Rettung kam, als ich sie am wenigsten erwartete.1989, das denkwürdige Jahr, in dem die Berliner Mauer fiel, war gleichzeitig auch das Jahr, in dem der Platz des Himmlischen Friedens in Beijin zum Friedhof der Demokratie wurde.Die Nationen erstarrten.Sie hatten China für vertrauenswürdig gehalten.Als obendrein Seiner Heiligkeit im gleichen Jahr der Friedensnobelpreis verliehen wurde, war das Maß voll.Schachmatt für China.Und ein gewaltiger Gesichtsverlust.Die Opportunisten im großen Welttheater spendeten schadenfroh Beifall.In Tibet löste die Nachricht einen Freudentaumel aus.Die Chinesen ließen es uns büßen.Was folgte, war eine furchterregende Demonstration nackter Gewalt.Diesmal nicht vor den Augen der Öffentlichkeit.Über Tibet wurde das Kriegsrecht verhängt.Es herrschte strikte Nachrichtensperre.Ohne Rücksicht wurden die Touristen mitten in der Nacht aus dem feudalen »Holiday Inn« gejagt und ersucht, das Land binnen sechsunddreißig Stunden zu verlassen.In Tibet war eine neue Generation herangewachsen; Menschen, die sich nicht so leicht einschüchtern ließen.Und diese neue Generation war nicht für Kompromisse zu haben.Sie hatte Kontakt zu Exiltibetern und wußte, daß es eine andere Freiheit gab als jene, die man ihr vorgaukelte.Auch tibetische Kader und Staatsangestellte hatten es satt, benachteiligt zu werden.Sie wagten, gegen die Regierung aufzumucken.Mönche und Nonnen schlossen sich ihnen an.Sie 366schienen stark, ihr Mut war bewundernswert; was fehlte, war das Fernsehen.Die Demonstrationen wurden derart brutal bestraft, daß sich viele entsetzt zur Flucht entschlossen, solange dafür noch Zeit blieb.Auch verkündete die Regierung, daß Kinder, deren Eltern an Demonstrationen teilnahmen, weder für eine Ausbildung noch für qualifizierte Stellen in Frage kommen würden; sie würden ihr Leben lang niedrige Arbeit verrichten müssen.So flohen immer mehr Tibeter, um der Verzweiflung und der Folter zu entkommen.Sie flohen – während ich im Alkoholnebel brütete.Eines Tages raffte ich mich fluchend auf.Ich war nicht der einzige in diesem Land, dem es dreckig ging.Ich lief jeder Spur nach, wie ein Reiter, der sich in der Steppe verirrt hat, fand alte Freunde und entwickelte Pläne mit dem Ziel, Flüchtlinge über die Grenze zu bringen.Wir knüpften ein Netz, das im Laufe der Jahre immer enger wurde.Wir versorgten die Flüchtlinge mit Kleidern und Geld, besorgten ihnen Pilgerpässe.Entlang den Karawanenstraßen fanden sie Freunde, die ihnen Obdach gaben, ihre Verletzungen pflegten.Lastwagenfahrer nahmen sie unentgeltlich mit, Bauern besorgten ihnen Reittiere.Das verkürzte die Wege über die Pässe nicht, machte sie aber leichter.Oft vertrauten uns Eltern ihre Kinder an.Die Eltern fühlten sich fremd und bedroht in diesem chinesischen Tibet.Ihre Kinder sollten im Exil ihre Kultur und Sprache bewahren können.Die Eltern wußten, daß sie ihre Kinder vielleicht nie wiedersehen würden, und es kam zu herzzerreißenden Abschiedsszenen.Das Ziel war meistens Dharamsala, der heilige Ort, an dem Seine Heiligkeit lebte.Die Eltern sparten sich jeden Bissen vom Munde ab, aber den Kindern gaben sie Geschenke mit.Für ihn.Es war ihnen ein Trost, sie in seiner Obhut zu wissen.Die Zeit des Selbstmitleids war vorbei.Ich verschrieb mich keiner höheren Idee, von höheren Ideen hatte ich die Nase voll.Ich wollte mit den Geistern Frieden schließen, im Schatten ihrer Schwingen ruhen.Ich wollte mich nicht mehr an Panzern messen, sondern an meinen Träumen.Träume sind die Realität von morgen, die Quellen, aus denen wir Kraft schöpfen.Tibet braucht Träume, sonst wird es nicht überleben.Es war für mich nicht schwer, von Alkohol und Drogen loszukommen.Ich mußte nur den Willen aufbringen.Unser Netz war dicht geknüpft; wie vielen Menschen wir eine Verhaftung ersparten, kann ich nicht sagen.Einer unserer Agenten war eine Frau.Sie hatte Verbindungen zum Gong An Ju, und ihre 367Nachrichten waren zuverlässig.Man hatte mir gesagt, daß sie in einem Bordell arbeitete, wo Sicherheitsbeamte verkehrten.Sie ging ein großes Risiko ein; ich bewunderte ihren Mut und wollte sie sehen.36847.KapitelLhasa war eine graue Stadt unter einem dichten Netz von Elektrizitäts- und Telefonleitungen geworden.Man hatte Laternen aufgestellt, die nie brannten, und Bäume gepflanzt, die nie grünten.Wohnblöcke stießen in die alte Stadt hinein, die Betonbrandung des sozialistischen Größenwahns warf hohe Wellen.Alles war schwülstig, überdimensional, seelenlos.Viele alte Häuser standen leer; unsichtbare Blutströme flossen in den zugemauerten Räumen.In den Höfen häufte sich Unrat.Den Linkhor krochen zerlumpte Pilger entlang.Lastwagen donnerten vorbei.Manchmal spuckten Radfahrer auf die kriechenden Gestalten; sie merkten es nicht, ihre glänzenden Augen sahen nur das Jenseits.Sie gehörten zum Stadtbild, die Behörden duldeten sie.Lhasa wirkte zweckmäßig und modern auf den ersten Blick; auf den zweiten sah man den Verfall; Armut und Elend lauerten unter der grauen Tünche.Auch mit Schnaps und Geschlechtskrankheiten kann man ein Volk zugrunde richten, es bettelarm machen, ihm den Lebensmut nehmen.Einige »patriotische« Adlige hatten überlebt, bekleideten gute Stellen in der chinesischen Verwaltung.Manche nützten das System, sich persönlich zu bereichern; die meisten jedoch betrieben im Stillen eine vorsichtige Gratwanderung.Sie erwirkten Konzessionen, taten nicht immer, was sie tun sollten, spielten oft ein gefährliches Spiel.In Lhasa gab es jede Menge Läden, Restaurants und Cafés, ein Theater und einen geheizten Swimmingpool.Die meisten tibetischen Familien lebten in einer»Arbeitseinheit«, schöpften Wasser aus einer gemeinsamen Pumpe und benutzten Gemeinschaftslatrinen.Der Potala, frisch getüncht, leuchtete hell unter Quellwolken oder schwebte im Nebel.Die vergoldeten Symbole des Buddhismus glänzten.Heiligtümer und Vorzeigeklöster zogen devisenbringende Touristen an.Später, in ihr jeweiliges Land zurückgekehrt, würden die Touristen berichten, sie hätten mit eigenen Augen gesehen, daß die Chinesen den Tibetern die freie Ausübung ihrer Religion gestatteten.Die Touristen sollten den Eindruck gewinnen, daß die Chinesen wohl einige Fehler machten – welche Nation macht sie nicht? – aber durchaus redlich Selbstkritik übten.Fremdenführer gaben bereitwillig zu, daß manches geschehen sein mochte, was übertrieben und grausam war.China hat Tibet aus dem Mittelalter in das zwanzigste Jahrhundert 369geführt! Seht doch, wie modern und sauber die Stadt ist, wie die Mönche ihre schönen alten Bräuche pflegen, wie die Kinder wohlgenährt und die Alten glücklich sind
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