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.«Sonam sah ihn an, mit dieser Falte zwischen den Augen.»Du meinst, Dakini könnte mir Böses tun? Aber nein doch! Niemals!« Ihr eigensinniger Ausdruck machte es Paldor unmöglich, ihr nicht zu glauben.Ihm war klar, dass er Sonam nach Belieben in den Stall laufen und sich ihrer Stute so nähern lassen musste, wie sie es selber wollte.Sie besaß Macht über die Pferde.Das hatte man, oder man hatte es nicht.Es war etwas Angeborenes.Sie wollte Tierärztin werden, erzählte sie jedem, der es hören wollte, nachdem sie von ihren Eltern erfahren hatte, dass es im Ausland diesen Beruf gab.Tibeter liebten ihre Tiere sehr, doch wurden diese krank, kannte man nur dürftige Heilmittel.In ihren jungen Jahren wusste Sonam ebenso viel über die Pferde wie ein erfahrener Pferdeknecht.Die Eltern fanden Sonams Berufswunsch zwar ausgefallen, aber durchaus nützlich.Für die Landbevölkerung war jedes Tier wertvoll.Paldor sagte dazu, er würde sie unterstützen, unter der Bedingung allerdings, dass sie besser lernte.Sonam hatte es ihm auch versprochen.Das Erscheinen eines Kometen galt für die Tibeter als Vorzeichen einer Gefahr.In alten Büchern wurden Kometen als unheilbringend geschildert.Und tatsächlich erzählten die Dienstboten einige Tage später, dass bei einem Bauern ein Yak-Bulle mit zwei Köpfen geboren worden war, der aber kurz darauf starb.Doch die unheimlichen Zeichen mehrten sich: In der Nacht zum 14.August stürzte eine wuchtige Säule am Fuß des Potala zu Boden und zerbrach.Und am folgenden Tag war es plötzlich, als ob die Erde unter den Füßen der Menschen rollte; es war ein Schwanken, ein Erschauern.Die Wände rumpelten und zitterten, Risse klafften in den Mauern.Ein gewaltiges Brummen wuchs aus Himmel und Erde, lauter als die Schreckensschreie der Menschen und das Poltern der Steine, die sich lösten.Im Osten leuchtete der Himmel gespenstisch auf; es war wohl eine Art Wetterleuchten, hervorgebracht durch die explosionsartige Energie des Erdbebens.Lhasa kam mit geringen Zerstörungen davon.Anders in Südtibet, wo sich die Erde wie ein wütendes Pferd schüttelte, wo gewaltige Bauten und Klöster, die der Mensch vor Jahrhunderten aus dem Boden gestampft hatte, von dem Erdbeben in den Zustand ihrer Anfänge zurückgeschleudert wurden.Ganze Ortschaften wurden mit ihren Bewohnern, ihren Schafs- und Yakherden in aufklaffende Erdspalten gerissen.Die Erde stand schräg, warf die Fliehenden zu Boden.Straßen bäumten sich zu Wellen, Wege wurden unter Steinen begraben.In der Provinz Assam veränderte der Fluss Brahmaputra seinen Lauf, überschwemmte die Felder und Dörfer mit einer gewaltigen Flutwelle.Wie viele Menschen ums Leben kamen, wurde nie bekannt; es mussten mehrere Tausende sein, die sofort tot waren oder später ihren Verletzungen erlagen.Auf die Nachrichten von Radio Lhasa, die in tibetischer, chinesischer und englischer Sprache gesendet wurden, war wenig Verlass.Außerdem besaßen nur wenige tibetische Familien ein Radio; die Zeitungen kamen erst Wochen später.Und kaum war das Erdbeben vorbei, fielen die Chinesen nahezu kampflos in die Provinz Shingeai ein.Sie hatten den Zeitpunkt gut gewählt.In Tibet herrschte Angst, Ratlosigkeit und ein großes Drunter und Drüber.In Shingeai befand sich das berühmte Kloster Kumbum, wo Tagshel Rimpoche, der älteste Bruder des Dalai-Lama, Abt war.Die Chinesen versuchten diesen heiligen Mann für sich zu gewinnen, damit er seinen jüngeren Bruder beeinflusste.Tagshel Rimpoche, der viel Erfahrung besaß, gab sich diplomatisch, zeigte ihnen aber die kalte Schulter.Unerbittlich spitzte sich die politische Lage zu, immer enger zogen die Chinesen ihren eisernen Ring um Tibet.Und so ging das Leben weiter, fast wie gewohnt, obwohl man in Lhasa immer mehr Chinesen begegnete - auch Militär.Der Schatten des Bösen glich jenen großen, winterlichen Wolken, die von dem dunklen Bergkranz emporstiegen.In Longselas Leben veränderte sich kaum etwas; das Glück schien der Familie hold zu sein, doch immer öfter und mit Bangen dachte sie an die warnenden Worte des Astrologen.Oh, sie war nicht furchtsam und glaubte fest an die Vorsehung der Götter! Aber ihr Herz war mit Unruhe erfüllt; die schlimmsten Gedanken kamen ihr in den Sinn.Auf die eigene Mutter war kein Verlass mehr.Yangzom war träge im Denken geworden, eine reiche Frau ohne Kraft und ohne Willen.Gerade sie gab Longsela am meisten zu denken.Sie konnte nur auf Paldor zählen.Je unruhiger sie wurde, desto mehr liebte er sie.Beide teilten sich die Erziehung der Kinder.Sie hatten erkannt, dass sie kaum noch etwas von draußen, von der Welt, die durch die Menschen beunruhigt wurde, erwarten konnten, sondern alles nur von sich selbst und vom Geheimnis ihrer Liebe.FÜNFZEHNTES KAPITELVor Jahren hatte man die Chinesen aus Lhasa gewiesen; die Tibeter hatten sich in falscher Sicherheit gewiegt und geglaubt, dass sie ihre unliebsamen Gäste losgeworden seien.Jetzt waren die Chinesen wieder da, und zwar in großer Zahl.In knapp einem Jahr befanden sich bereits über Zehntausend in Lhasa, Krankenschwestern, Ärzte, Lehrer, Händler und Soldaten.Sie mieteten oder beschlagnahmten Häuser, verrichteten ihre Aufgaben, aber mischten sich wenig unter die Bevölkerung.Sie beachteten nicht die ablehnende Haltung vieler Tibeter, überhörten Beleidigungen, verhielten sich diszipliniert und freundlich.Von offizieller Seite hieß es, sie seien gekommen, um dem tibetischen Volk zu helfen, und würden wieder heimkehren, sobald sich die Lage gebessert habe [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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