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.«»Wahrscheinlich liebt er dich«, sagte Janne traurig.»Keine Ahnung«, wiederholte Kevin breit lächelnd.»Er ist schon ein bisschen älter.«Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich auf Jannes Nacken herunterschaute.Ihr Haar war mit einer Spange hochgesteckt.Sie sah aus wie aus einem falschen Jahrhundert.Die Haut war zartrosa und unglaublich schutzlos.Ich hätte nie gedacht, dass man einen Mädchenhals eine Stunde betrachten konnte, ohne dass einem langweilig wurde.Im Gegenteil, eigentlich hatte ich keine Lust, je wieder etwas anderes zu tun.Eine schwarze Locke hatte sich aus dem Haarknoten gelöst, ich starrte sie an und hätte heulen können.Im Dorf gönnte ich Janne die Erfahrung einer gewissen Prominenz.Offenbar hatte mein Besuch beim Arzt bereits die Runde gemacht.Jetzt waren mehr Menschen auf der Straße als heute Mittag, und alle glotzten sich die Augen aus dem Kopf.Man konnte schwer sagen, ob sie es meinetwegen taten oder wegen Janne.Oder wegen Kevin in seinen hochhackigen Schuhen, mit der rosa Kappe auf dem Kopf und einem Handtäschchen, das er am langen Riemen hin und her fliegen ließ.Höchstwahrscheinlich war es die Mischung.Im kleinen Supermarkt stellten wir fest, dass Jannes Rollstuhl nicht durch den Gang passte, weil er voller Kartons stand.Ich wollte schon den Nachbargang ansteuern, aber Kevin hielt mich zurück.Er legte seine Handtasche auf Jannes Schoß und begann, die Kisten aus dem Weg zu räumen.Er hob sie auf und warf sie in den benachbarten Gang, zu den Paletten mit den Senfgläsern.»Ist schon gut«, flüsterte Janne, knallrot geworden.Auch der Nacken, das konnte ich von hinten sehen, war voller roter Flecken.Jetzt tat sie mir furchtbar leid, ich konnte ihr Gefühl der Peinlichkeit förmlich mit Händen greifen.Dann löste ich mich aus der Starre und begann, Kevin zu helfen.Einige der Kisten warf ich einfach hinter Janne, davon ausgehend, dass wir den Gang für den Rückweg nicht mehr brauchen würden.Ein kurzbeiniger Mann in der blauen Filial-Uniform eilte auf uns zu.»Stellt alles sofort zurück«, rief er mit hoher Stimme, die bei mir in Verbindung mit seinem Schnurrbart eine kognitive Dissonanz auslöste.Selbst Kevin hatte eine tiefere Stimme, wenn er nicht gerade versuchte, künstlich piepsig zu sprechen.»Wir kommen hier nicht durch.« Kevin reichte dem Mann eine der Kisten und lächelte arglos mit seinem geschminkten Mund.»Wir sind, das sehen Sie sicher, mit dem Rollstuhl da.«Der Mann nahm die Kiste, drückte sie kurz an seine Brust und stellte sie verdattert wieder ab.»Ihr könnt bei euch zu Hause randalieren«, sagte er, und seine unerträglich hohe Stimme machte mir Zahnschmerzen.»Wir randalieren nicht.« Kevin blieb seiner Sanftmut treu.»Wir versuchen, uns Zutritt zu verschaffen.«»Raus!« brüllte der Filialleiter plötzlich.Janne zuckte zusammen.Ich schob eine der Kisten mit dem Fuß beiseite, um am Rollstuhl vorbeizukommen und zu prüfen, ob sie nicht kurz vorm Heulen war.Zum ersten Mal geriet ich mit meiner ganzen Frontseite ins Blickfeld des Filialleiters.Offenbar hatte er mich bislang im Vergleich zu den beiden anderen als unauffällig empfunden.Er stöhnte fast lautlos, wich zurück, stürzte über eine der umgestellten Kisten und fiel der Länge nach auf den Rücken.Mit dem Fuß stieß er gegen eine Dosenpalette.Und dann wurde es laut und ziemlich dreckig.»ICH GLAUBE ES EINFACH NICHT!!!« Dass der Guru so schreien konnte, hätte ich nie gedacht.Er brüllte wie im Fußballstadion.Seine Spucke flog in alle Richtungen, ich duckte mich, damit sie mich nicht im Gesicht traf.»Psst«, sagte Kevin friedlich.»Die Polizei hört mit.«»DIE POLIZEI?«Wir hatten die Station noch gar nicht verlassen, aber dem Guru waren schon die Sicherungen durchgebrannt.Ich fand, dass er übertrieb.Besser gesagt, ich konnte schon verstehen, dass bei ihm die Nerven blank lagen nach diesem ersten Tag.Aber ich war mir keiner Schuld bewusst, und Kevin und Janne ging es genauso.Wir versuchten es zu erklären, aber er wollte nichts hören.»Hol die Kamera raus«, sagte Janne, als der Guru zu brüllen aufhörte.»WAS?!« Er verlor für einen Moment den Faden.»Die Kamera.Du musst das filmen.Wie wir verhaftet wurden.Zu Unrecht, einfach weil wir behindert sind.Das ist toller Stoff, wirklich.«»Nicht verhaftet, sondern festgenommen«, korrigierte ich sie.Der Guru blinzelte.»Eure Mütter tun mir leid.« Er holte aber die Kamera aus der blauen Tasche, die er über der Schulter hängen hatte.»Film uns, wie wir hier rausgehen«, sagte Janne.Kevin klaubte sein Täschchen vom Boden auf und erhob sich.Ich stellte mich hinter den Rollstuhl.Der Guru hielt die Kamera hoch.In diesem Moment öffnete sich eine Seitentür, und ein Polizist fragte nach der Drehgenehmigung, brüllte, dass wir schon genug Ärger verursacht hätten, und warf uns raus.»Kommen wir jetzt vor Gericht?« fragte Kevin und kratzte sich an der Nase.Nachdem wir die Polizeistation verlassen hatten, wollte der Guru allein in den Supermarkt gehen, dessen Filialleiter uns wegen Hausfriedensbruchs angezeigt und die Polizei geholt hatte.Wir mussten draußen warten, was uns nicht viel ausmachte.»Ich glaube nicht, dass wir vor Gericht kommen«, sagte ich.»Das Verfahren, wenn sie überhaupt eines einleiten, wird bestimmt schnell wieder eingestellt.Keine Supermarkt-Kette kann sich heutzutage Behindertenfeindlichkeit solchen Ausmaßes leisten.«»Hoffen wir es mal«, unkte der Guru.»Eigentlich verbietet es der Stolz, hier überhaupt einzukaufen«, bemerkte Kevin.»Wenn es in diesem Kaff noch einen anderen Laden gäbe«, schnappte der Guru zurück und stürmte in den Supermarkt.Ich vermutete, dass er nicht nur wegen der Polizei sauer war, sondern weil seine Grillpläne zu scheitern drohten.Dafür konnten wir wirklich nichts.Im Dorf gab es einen Metzger, aber der hatte ab mittags geschlossen.Die Kühltheke des Supermarkts hatte nur zwei Packungen dünne Schweinswürstchen zu bieten.Der Anblick dieser Würstchen schien dem Guru den Rest zu geben.Wir konnten ihn durch die Glasfront zwischen den Regalen sehen, und ich befürchtete, dass auch er in Tränen ausbrechen würde.Schließlich ignorierte Kevin das Verbot, ging in den Laden, und wenig später kamen sie beide heraus, beladen mit schweren Einkaufstüten.Außer zehn mickrigen Würstchen grillten wir Paprika und Maiskolben, eingewickelt in Alufolie, gebuttert und gesalzen.Es war alles Kevins Idee gewesen, auch der Linsensalat und das Taboulé.Es schmeckte sensationell, und Kevin freute sich über die Komplimente, bis ich ihn fragte, ob er wirklich gern kochte oder einfach auf Bilderbuchtunte machte.Keine Ahnung, warum er gleich so beleidigt war.»Wenn noch etwas passiert, brechen wir es ab«, lallte der Guru.In den Plastiktüten waren fünf Flaschen Rotwein gewesen
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