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.«Niemand hatte jemals Linear B auf etwas anderes als Tontafeln geschrieben gesehen, die für Abrechnungen verwendet wurden.Die ägäische Bronzezeit war in ihrem Schriftgebrauch nicht über die Aufzeichnung von Inventarlisten und Geschäftsvorgängen hinausgelangt, wie sie schon früher in Syrien und Mesopotamien entwickelt worden war.Die Schreiber auf Kreta und der Peloponnes hielten geschäftliche Transaktionen, Warenvorräte und ihre Verteilung auf ungebrannten Tontafeln fest.Da gab es Listen von Schöpfkellen, Kochtöpfen, Badewannen, Tischen mit eingelegten Elfenbeinverzierungen, Fußschemeln aus Ebenholz, von Dienern, Waffen, Streitwagen und vielen anderen Dingen.Auf Regalen in den Archivräumen der Paläste verwahrt, blieben die Tontafeln der Nachwelt nur durch Zufall erhalten.Sie wurden nach der Beschriftung nicht gebrannt und nach dem Gebrauch weggeworfen.Nur die Feuersbrünste bei der Zerstörung der Paläste hatten die Tafeln hartgebrannt und so erhalten, die zur Zeit jener kriegerischen Umwälzungen, die den Untergang der mykischen Kultur bedeuteten, gerade vorhanden gewesen waren.Claire erinnerte sich aus Büchern und Museen an diese Tontafeln, auf denen in dünn eingeritzten Zeichen die Mengen von Getreide, Schafen, Rindern und Weinkrügen angegeben gewesen waren.Solche Zeichen hier in einem Grab zu finden, in Stein gemeißelt, war bemerkenswert.Sie hätte hocherfreut sein sollen.Aber etwas…»Das ist nicht Linear B«, sagte sie.George wandte sich ungläubig zur Öffnung und betrachtete mit ihr die Zeichen.»Ich habe mich nicht viel damit beschäftigt, aber ich glaube verschiedene Elemente wiederzuerkennen.«»Schau genauer hin! Es gibt zwar Ähnlichkeiten, aber sie könnten von der verschiedenartigen Technik herrühren, denn hier mußte in Stein gemeißelt werden, was sonst in weichen Ton geritzt wurde.«»Aber in der mykenischen Welt wurde Linear B gebraucht.«»Das stimmt.« Sie legte die Finger an den Mund und überlegte, dann bemerkte sie, daß ihre Hände voll von Staub und Erde waren.Sie erschauerte, spuckte aus, schüttelte sich.»Äh!«»Ja, ziemlich eng und modrig hier drinnen, wie?«»Du könntest ein paar Aufnahmen machen, George.Ich… ich geh’ hinunter ins Lager und schlage es nach.«Sie eilte aus der Grabkammer hinaus durch den Dromos, der über zwanzig Meter lang war.Tief atmete sie die reine Luft, die ihr einen Hauch vom würzigen Duft der Zypresse zutrug.Auf dem Weg zum Lager begrüßte sie den willkommenen Anblick von Stechpalmen und dichten, buschigen Zerreichen mit dicken Eicheln in großen Fruchtbechern.Sie hatte sich schon oft vorgenommen, die mediterrane Pflanzenwelt besser kennenzulernen, war aber nie dazu gekommen; die meisten Sträucher der Macchien waren ihr unbekannt.Im Augenblick aber beschäftigten sie andere Fragen.Zehn Minuten später hatte sie die Antwort.»Nun, du hattest halb recht«, rief sie, als sie unter dem mächtigen Türsturz hindurch in die hallende Grabkammer trat.George löste einen weiteren Blitz aus und sah sich nach ihr um.»Welche Hälfte?«»Es ist natürlich linear.Aber nicht B.Es ist A.«Er starrte sie skeptisch an.»Kann nicht sein.«»Es ist aber so.Ich habe acht Zeichen verglichen.« Sie hielt ihm das mitgebrachte Buch hin.»Vergleiche selbst!«»Es kann einfach nicht sein«, murmelte er, nahm aber das Buch und hielt die darin abgebildeten Tontafeln ins Licht.Selbst ein wenig verwirrt, sah sie zu, wie sein blonder Kopf sich bald über das aufgeschlagene Buch beugte, bald die Zeichen im Stein betrachtete.»Nun… ich sehe, was du meinst.Aber… aber wie kommt das hierher?«Claire zwängte sich neben ihm in die Maueröffnung und streckte die Hand aus, um die gemeißelten Zeichen zu befühlen.Als ihre Hand sie berührte, ging ein leises Prickeln durch ihren Arm, und wieder fing sie den schweren, moderigen Geruch auf und zog sich mit einem Gefühl des Unbehagens zurück.»Ein Mitbringsel aus Kreta, vielleicht«, sagte sie nachdenklich.»Oder ein kretischer Steinmetz hat den Block hier an Ort und Stelle behauen und die Inschrift angebracht.« Linear A war die Transkription der unbekannten, vorindogermanischen Sprache des minoischen Kreta.»Das ist Pech.Linear B wurde Anfang der fünfziger Jahre entziffert.Aber das konnte nur gelingen, weil Linear B die bekannte Sprache der mykenischen Griechen war, die nach 1400 v.Chr.Kreta eroberten.Die Frage ist, wann wird jemand Linear A entziffern?«Sie schüttelte den Kopf, vertieft in die rätselhaften Schriftzeichen.Die Farb- oder Lehmreste in den Vertiefungen der Meißelhiebe verlangten nach einer Analyse.Die aber war nach Lage der Dinge nur in Athen möglich.Also mußte Kontos eingeweiht werden… »Wahrscheinlich nie.«»Es gibt Computer, Spezialprogramme für die vergleichende Sprachwissenschaft.«»Du brauchst einen Bezug.Etwas, das dir erlaubt, eine Verbindung herzustellen.« Claire versuchte sich auf Vorlesungen zu besinnen, die sie vor sechs oder sieben Jahren gehört hatte.Wie Alice Kober zeigte, daß es in den Silbenendungen von Worten in der Linear B Veränderungen gab, was bewies, daß es sich um eine flektierte Sprache handelte.Wie M.Ventris und J.Chadwick nach Übereinstimmungen in den Vokalen suchten und neue Tafelfunde in Pylos ihre Vermutungen bestätigten, daß Linear B die Sprache der Griechen um 1200 v.Chr.war.Von da an war es relativ einfach gewesen, die zahlreichen Begriffs- und rund achtzig Silbenzeichen zu entziffern.Gleichwohl schien es gewagt, den mykenischen Griechen die Urheberschaft an dieser Schrift zuzuschreiben, denn vieles sprach dafür, daß die minoischen Kreter durch die Entwicklung der viel älteren Linear A die entscheidende Vorarbeit geleistet hatten.Genaueres war nicht bekannt
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