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.Und dann traute Kati ihren Augen nicht.Schwarz auf weiß stand dort: «Heute hat Andi mich erwischt, wie ich mit Thorsten geknutscht habe.Gut so.Soll er ruhig eifersüchtig sein.Dann spielt er sich wenigstens mal nicht als mein Vormund und Erzieher auf.Ich kann’s nicht mehr hören, dieses ewige Gemaule: Juliane, werd mal erwachsen! Kümmere dich um deine Zukunft! Lern was fürs Abi, du kannst auch später noch zum Schwimmen gehen …»Kati war völlig irritiert.Das konnte doch nicht wahr sein! Jule war Andi, ihrer großen Liebe, untreu gewesen? Und wieso hatte sie dann nichts gesagt, als Kati ihr berichtete, was sie unten an der Brunau beobachtet hatte? Immerhin hatte sie Andi der Untreue beschuldigt und ihn bei Jule angeschwärzt.Noch deutlich erinnerte sich Kati an Jules Wutanfall, als sie ihr erzählte, wie sie Andi und Saskia eng umschlungen am Bach gesehen hatte.Immer wieder waren die beiden stehen geblieben, um sich zu küssen.Damals hatte Kati gedacht, sie müsste für die Schwester kämpfen und sie vor dem größten Schmerz bewahren.Aber Jule hatte gar nicht so niedergeschlagen reagiert, sondern war einfach nur furchtbar wütend geworden.So deutlich wie in diesem Moment hatte Kati das noch nie gesehen: Jule war gar nicht traurig oder schockiert.Sie war einfach wütend, weil sie nicht mehr verheimlichen konnte, dass ihre Beziehung gescheitert war.Und zwar durch ihre eigene Schuld.Zwei Seiten weiter fand Kati dann den Eintrag über das Ende der Beziehung: «Heute hat Andi mit mir Schluss gemacht.Ich sei nicht reif genug für eine Verlobung! Der hat sie ja wohl nicht mehr alle!»Ungläubig schüttelte Kati den Kopf.Warum bloß hatte Jule ihr das alles nicht erzählt? Stattdessen vertraute sich ihre aufgebrachte Schwester dem Tagebuch an …Kati las weiter: «Aber das lass ich mir nicht gefallen, so einfach kommt mir der Typ nicht davon.Den hol ich mir zurück! Wollen wir doch mal sehen, wie schnell der mir wieder aus der Hand frisst, wenn er denkt, ich würde mich seinetwegen umbringen.»Kati schlug sich die Hand vor den Mund.Langsam ließ sie das Tagebuch sinken.Sie saß auf dem Fußboden und starrte ins Leere.Krampfhaft versuchte sie, die Bedeutung all dieser Worte einzusortieren.Jule hatte einen Selbstmordversuch bloß vortäuschen wollen, um Andi zurückzuerobern? Sie hatte seine Liebe erzwingen wollen?Aber warum hatte Jule ihrem Exfreund einen derart gefährlichen Denkzettel verpassen wollen? Das Feuer hatte das Holzlager seines Vaters in Brand gesetzt.Und es hätte noch weitaus größeren Schaden anrichten können.Kati konnte einfach nicht glauben, mit wie viel Energie ihre Schwester der zynischen Idee eines vorgetäuschten Selbstmords nachgegangen war.Der einzige Satz, der sich in Katis Kopf festsetzte, lautete: «Sie hat uns alle belogen!»Und dann kam wie durch einen Schleier langsam die Erinnerung in Katis Bewusstsein zurück.Nach jener Nacht war in Jules Zimmer ein Abschiedsbrief gefunden worden, der angeblich keinen Zweifel daran ließ, dass sie die Tischlerei der Witthöfts hatte anzünden wollen, um sich an Andi zu rächen und in dem Feuer selbst aus dem Leben zu gehen.Zunächst war man von einem tragischen Unglücksfall ausgegangen, doch nun musste man auf Suizid schließen, auf einen Selbstmord aus Liebeskummer.Bei dem Gedanken an Andi wurde Kati plötzlich beinahe schlecht.Sie schämte sich.Hatte sie Andi wirklich als Mörder ihrer Schwester bezeichnet? Das war unverzeihlich.Und Kati konnte sich nicht vorstellen, wie sie ihr Verhalten jemals wiedergutmachen konnte.Und Andi? Er hatte sich ihr gegenüber immer nur aufrichtig benommen.Kati seufzte tief.Seit damals hatte sie einfach nicht glauben wollen, dass an den Gerüchten etwas dran war.Und sie hatte sich stets geweigert, den vermeintlichen Abschiedsbrief zu lesen.Zu grausam war die Vorstellung, ihre Zwillingsschwester könne ihr Leben tatsächlich freiwillig beendet haben.Würde dann nicht auch sie, Kati, diese Todessehnsucht in sich tragen? Jule war doch immer die stärkere und mutigere von ihnen gewesen.Kati legte das Tagebuch zurück in die Kiste und ließ noch einmal den hellbraunen Haarzopf durch ihre Finger gleiten.Es war ein seltsames Gefühl, fremd und vertraut zugleich.Kati erinnerte sich, dass sie ihren eigenen Zopf damals weggeworfen hatte, als Elli beim Anblick ihrer kurzen Haare in Tränen ausgebrochen war.Unwillkürlich musste Kati lächeln.Was würde sie nur ohne Elli anfangen?Sie schnäuzte sich und legte auch den Zopf und die Bilder zurück in die weiße Kiste.Dabei fiel eine Schwarz-Weiß-Aufnahme heraus und landete vor ihren Füßen.Als Kati danach griff, blickte sie in das Gesicht ihrer Schwester, die ihren Arm um sie gelegt hatte und breit in die Kamera grinste.Jetzt, über zehn Jahre später, erkannte Kati sich selbst in keinem der beiden Gesichter wirklich wieder.«Warum?», fragte sie sich, «warum durfte Jule nicht auch älter werden? Warum musste sie so früh gehen?»Doch sie wusste, es gab keine befriedigende Antwort auf diese Fragen.Und es ergab letztlich auch keinen Sinn, länger darüber zu spekulieren, was gewesen wäre, wenn ihre Schwester damals nicht so impulsiv gehandelt hätte.Jule war, wie sie war.Und so, wie sie war, hatte Kati sie geliebt.Sie legte das Foto beiseite.Eines Tages würde sie es in eins ihrer eigenen Alben einsortieren, wenn sie auch den Rest ihrer Sachen aus Hamburg geholt hatte.Dann schloss sie die Kiste und mit ihr ein trauriges Kapitel ihres Lebens.[zur Inhaltsübersicht]24Am nächsten Tag ging Kati über den Hof zum alten Hühnerstall, von wo das Kreischen einer elektrischen Säge zu hören war.Sie fröstelte und zog die Strickjacke, die sie sich schnell noch übergeworfen hatte, enger um ihren Oberkörper.Sie hatte eine besonders unruhige Nacht hinter sich.So viele Dinge waren ihr durch den Kopf gegangen und hatten sie vom Schlafen abgehalten.Erst als es schon dämmerte, war sie imstande gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen.Und der nahm an diesem Morgen immer mehr Gestalt an: Sie wollte sich bei Andi für ihr Verhalten entschuldigen.Es herrschte eine beinahe schon herbstliche Stimmung.Der Wind hatte bereits die ersten gelben Blätter von den großen Birken geweht.Seit Kindertagen war für Kati der Übergang in die dunkle Jahreszeit mit einer eher bedrückenden Stimmung verbunden, denn im Herbst ging stets auch das lebhafte Treiben auf dem Heidehof zu Ende [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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