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.Seine Mum!»Hallo?«, sagte sie noch einmal.Fäuste hämmerten gegen die Tür.»Hey, Johnny! Hier draußen steht dein Krug!«Alles würde gut werden.Endlich würde alles gut werden.»Von mir aus!« Jemand stellte den Krug schwungvoll vor die Holztür.»Wenn er kaputtgeht, bist du schuld.«»Hau einfach ab!«, rief John.»Mum«, flüsterte Ash und biss sich auf die Lippe, damit sie aufhörte zu zittern.»Ich bin’s.«Seine Mutter schluchzte.»Gott sei Dank.Gott sei Dank.Wir haben schon so lange gewartet.Aber wir wussten, wir wussten einfach, dass ihr lebt.«»Lucks geht es gut, uns geht es beiden gut.« Tränen stiegen in seine Augen.»Wir sind in Varanasi.«»Euer Dad ist auch da.Er sucht überall nach euch.Dieser Engländer, Savage, hilft uns.«Natürlich.Savage hatte sich denken können, dass Ash sich früher oder später bei seinen Eltern melden würde.»Hör zu, Mum, du musst mit Dad reden, aber Savage darf kein Sterbenswörtchen davon erfahren.Verstehst du?«»Was ist los, Ash? Du klingst so anders.«»Es ist eine Menge passiert, Mum.«»Wo bist du? Ich rufe deinen Vater gleich an und schicke ihn zu euch.«John winkte hektisch mit den Händen, um Ashs Aufmerksamkeit zu erregen.»Nicht hier.Auf keinen Fall hier, du musst ihn woanders treffen.«Ash blinzelte, begriff aber.Ujba würde nicht sonderlich begeistert sein, wenn ein Fremder bei ihm auftauchte, um zwei Kinder von ihm wegzuholen – und Ujba war gefährlich.»Wir müssen uns treffen«, sagte Ash.»Wir kommen zu Dad.«»Kennst du das Good View Hotel?«Ash blickte fragend John an, der den Kopf schüttelte.»Fast die Hälfte aller Hotels am Fluss heißen ›Good View‹.Frag sie nach der nächsten Flusstreppe, nach dem nächsten Ghat.«»Mum, bei welchem Ghat liegt das? Da kommen wir hin.«»Am Manikarnika-Ghat«, antwortete sie.»Heute Nacht um zwei sind wir da«, versprach Ash.Das wäre spät genug, um sicher zu sein, dass alle anderen im Lalgur schliefen.»Ich hab dich lieb, Ash.Sag Lucky, dass ich sie furchtbar vermisse.Beeil dich, mein Liebling.Beeil dich, dann haben wir euch morgen wieder bei uns zu Hause.«»Ich hab dich auch lieb, Mum.« Er schaltete das Handy aus und gab es John, damit der es wieder hinter dem Stein verstecken konnte.Ash wischte sich die Augen trocken.Er musste sich völlig normal verhalten.Aber seine Mum! Er hatte mit seiner Mum gesprochen! Ganz deutlich sah er sie vor sich und hatte noch immer ihre Stimme im Ohr.Da wurde Ash bewusst, wie sehr er seine Eltern wirklich vermisst hatte.Jetzt, da er mit ihr geredet hatte, musste er zurück.Alles andere war unwichtig.Schon morgen würden sie auf dem Heimweg sein.Er konnte sich das Grinsen nicht verkneifen: Sie fuhren nach Hause! Ash öffnete die Tür.Und stand Parvati gegenüber.»Was soll das dämliche Grinsen?« Parvati schaute sich mit hochgezogenen Augenbrauen im Zimmer um.»Was habt ihr zwei überhaupt hier zu suchen?«John schaute Ash an.Ash schaute zurück.Beide wurden rot.Ein wunderschönes Mädchen stand vor ihnen und sie beide trugen noch immer nichts außer ihrer Unterhose.Parvati seufzte.»Egal.Was ihr zwei Jungs privat anstellt, ist eure Sache.Aber hebt’s euch für später auf.«Ash riss den Mund auf.»Du siehst das völlig falsch!«Parvati lächelte.»Aber klar, natürlich.«John stand sprachlos da, bis sie wieder fort war.Dann griff er sich den Krug und reichte ihn Ash.»Na ja, zumindest haben wir sie voll auf die falsche Fährte gelockt.«»Danke, John.Ich bin dir echt was schuldig.«»Also? Wo triffst du deinen Dad?«»Manikarnika-Ghat.Kennst du den?«John starrte ihn an.»Sicher.« Er wirkte nicht sonderlich glücklich.»Das ist der Haupt-Ghat.Dort äschern sie die Toten ein.«In dieser Nacht ging Ash die Treppe zum Dach hinauf und konnte seine Aufregung nicht verbergen.Ihr Dad war hier.Wenn er erst Lucky davon erzählte! Sie würde ihm vor Freude um den Hals fallen.Sie konnten nach Hause, der Albtraum war fast überstanden.»Du siehst ziemlich selbstzufrieden aus.«Parvati glitt aus der Dunkelheit auf ihn zu und im schwachen Lampenlicht schien ihre Haut grünlich zu glimmen.Ash schwieg und blickte sie gefesselt an.»Du führst irgendwas im Schilde, stimmt’s? Was könnte das nur sein?« Parvatis senkrechte Iris weiteten sich, bis ihre leuchtenden Augen den düsteren Treppenaufgang in smaragdgrünes Licht zu tauchen schienen.Ihre Stimme, die kaum mehr als ein Wispern war, tauchte in seinen Geist.»Sag es mir.«Er wollte es ihr beichten.Der Drang war fast übermächtig.Er wollte ihr alles über das Handy, den Anruf und Dad erzählen, der am Ghat auf ihn wartete.Diese grünen Augen wurden größer und größer, bis er außer ihnen nichts anderes mehr wahrnahm.»Ich …« Der Schweiß trat ihm auf die Stirn.Er wollte ihr alles sagen, aber ein kleiner Teil von ihm wehrte sich dagegen.Sein Kopf war wie taub, er konnte nicht einmal mehr blinzeln.»Sag es mir, Ashoka.«Seine Tante hatte ihn immer Ashoka genannt – sie war nun einmal ein bisschen altmodisch, was solche Dinge betraf.Niemand sonst hatte das Recht, ihn so anzusprechen – nur sie.Trauer, Schmerz und Wut kochten in Ash hoch und befreiten ihn plötzlich aus Parvatis Bann.Ash keifte: »Ich habe nichts zu sagen!«Auf der Stelle erlosch das grüne Leuchten und Parvati war wieder nur ein Mädchen, das auf der Treppe stand.»Es tut mir leid.Das hätte ich nicht tun sollen.«Ash stieß lange die Luft aus und massierte sich die Schläfen, um den Nebel loszuwerden, der noch immer wie eine Wolke in seinem Kopf hing.»Was war das denn? Magie?«»Kaum der Rede wert.Nur etwas, das ich kann.Manchmal.«Ash ließ sich gegen die Wand auf die Stufe sinken und Parvati setzte sich ein paar Stufen über ihm.Wieder spielte sie mit dem silbernen Medaillon.»Was ist das eigentlich?«, fragte Ash.Immer fingerte sie an dem Ding herum.»Irgendwas Wichtiges?«Parvati kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, dann nahm sie es plötzlich ab und drückte es ihm in die Hand.»Es ist wohl das Beste, wenn du es weißt.«Der Anhänger war alt, so viel stand fest, und er musste einmal mit Juwelen besetzt gewesen sein, weil in der Oberfläche eine Reihe von leeren Löchern und Fassungen waren.Die Kette war dünn und zart, fast so fein wie ein Faden aus Seide.Jemand hatte sich viel Mühe damit gemacht.Ash öffnete das Medaillon und sah die Gesichter von zwei Personen.Es waren Porträts, kaum höher als drei oder vier Zentimeter.Das Bild zur Linken war völlig zerkratzt, sodass nur noch ein Überbleibsel von blauer und gelber Farbe zu sehen war, vermischt mit ein bisschen Grün, wo die Farben sich vermengt hatten.Das rechte Porträt zeigte eine junge Inderin Anfang zwanzig.Sie trug einen Seidenschal und stützte den Kopf auf eine mit Edelsteinen geschmückte Hand.In einem Nasenflügel glitzerte ein Diamant, während sie Ash träge aus ihren großen grünen Augen anblickte.»Das bist du«, meinte Ash.Doch zwischen dem Bild und dem Mädchen vor ihm lag ein Altersunterschied von zehn Jahren.»Wie ist das möglich?«Parvati nahm ihm das Medaillon wieder ab und schloss es.»Ich bin zur Hälfte ein Mensch, Ash.Ich altere genau wie du.«»Aber sie ist älter als du jetzt.Alterst du rückwärts?«»Nein, ich werde älter, wie jeder Mensch, bis ich eine alte Frau bin.Wenn ich sterbe, werde ich sofort wiedergeboren.« Sie klang müde, sogar traurig.»Wie alle Rakshasas.«»Klingt gar nicht so übel.« Was würde er – oder jeder andere Sterbliche – dafür geben, wenn er dazu in der Lage wäre, ewig zu leben?»Wenn du es so oft gemacht hast wie ich, wird dir klar, dass es ein Fluch ist.« Sie seufzte.»Und nicht einmal durch den Tod kann ich ihm entkommen.«»Wie meinst du das?«»Am Anfang meines neuen Lebens bin ich immer fest davon überzeugt, dass ich ein Mensch bin
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