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.Während des Vortrags sollte ich einen Kornblumenstrauß in der Hand halten und diesen Blumenstrauß dem Kaiser nach Beendigung des Gedichts mit einer tiefen Verbeugung überreichen.Bei den zahllosen Proben hielt ich statt der Kornblumen einen Kastanienzweig in der Hand, den Herr Dr.Latte von einem der Bäume abriß, die den Schulhof einsäumten.Am Vortrag hatte er bald nichts mehr auszusetzen, dafür um so mehr an der Verbeugung, die einmal zu eckig, ein andermal zu hastig, dann nicht ehrfurchtsvoll genug und dann zu byzantinisch ausfiel.Ich hatte es nicht leicht, es Herrn Dr.Latte recht zu machen.Der Besuch der Majestäten — denn natürlich begleitete Kaiserin Auguste Victoria ihren Gemahl, wenn auch nicht zu unserer schlichten Schulfeier — fand an einem Septembertag statt.Es herrschte strahlendes Kaiserwetter.Der Himmel wölbte sich in makellosem Blau über der Stadt.Die Regimenter, die auf Herzogsacker zur Kaiserparade aufmarschiert waren, konnten sich keinen besseren Tag wünschen.Alles war auf das trefflichste vorbereitet, ich hatte in einem neuen weißen Matrosenanzug mit langen weiten Marinehosen die Generalprobe glänzend bestanden, man hatte an alles gedacht, nur nicht daran, daß die Äcker abgeerntet waren und daß um diese Jahreszeit auf den Fluren und Feldern der ganzen Provinz keine Kornblume zu finden war.Auch nicht in den Gärtnereien, denn dort züchtete man Rosen und Nelken, aber kein Unkraut.Man erwog schon, aus den verdammten Kornblumen sanfte Veilchen zu machen, aber da stimmten die zweisilbigen Veilchen mit den oftmals erwähnten dreisilbigen Kornblumen nicht mehr im Rhythmus und dadurch holperte auch das Versmaß.Und ob der Kaiser auch die Veilchen liebte, wußte man vielleicht in Berlin, aber nicht hier.In dieser Notstandssituation hatte Mutter eine geniale Idee.Sie besann sich, daß in einem Korb auf dem Speicher einer ihrer alten Hüte vergammelte, der eine üppige Garnitur blauer Kornblumen trug.Sie fackelte nicht lange, der Hut wurde vom Speicher geholt und seines Blumenschmuckes beraubt.Sie waren schon ein wenig staubig und verdrückt und auch von der Sonne gebleicht, aber meine Schwester Else besuchte ja die Gewerbeschule mit den Kursen für Haushalt und Handarbeiten nicht umsonst, mit der seidigen Bürste für Vaters Zylinderhüte, mit dem Bügeleisen und ein wenig Farbe aus dem Malkasten brachte sie die Kornblumen auf Hochglanz.Etwas frisches Farnkraut wurde dazu gebunden, unten bekam der Strauß eine weiße Manschette, das Problem war gelöst und ich konnte vor meinen Kaiser treten.Der Herr Dr.Latte besah sich das Gebinde zwar mit einiger Besorgnis, aber etwas Besseres konnte er auch nicht herbeischaffen.Die Feier fand am frühen Vormittag statt.Der Kaiser erschien mit kleinem Gefolge, aber in großer Uniform.Ein prächtiger Anblick! Die Schule war in der Aula versammelt, und wir hörten die berühmte Autofanfare, als die kleine Kolonne in den Schulhof einfuhr und vor dem Hauptportal hielt.Der Geheimrat empfing Se.Majestät, ein Adjutant flüsterte ihm etwas ins Ohr, und darauf fiel die lange Rede, die er in den letzten Tagen ständig memoriert hatte, sehr kurz aus.Der Kaiser hörte sich die Ansprache stehend an, er nickte dem Geheimrat huldvoll zu und nahm dann unterhalb des Katheders in einem blumengeschmückten Sessel Platz, der aus des Geheimrats Privatmobilar für ihn aufgestellt worden war.Zuerst trug der Primaner seine Festhymne lautstark und mit edlen Gesten vor, und dann kam ich an die Reihe.Herrn Dr.Latte lief der Schweiß von der Stirn, aber er hätte nicht zu schwitzen brauchen, denn es ging alles tadellos.Zum Schluß trat ich vor den Kaiser hin und überreichte ihm mit der lang geprobten tiefen Verneigung die Kornblumen aus Mutters Hut.Er nahm sie in Empfang, warf einen flüchtigen Blick darauf — und machte ein Gesicht, als ob er ein angebrütetes Ei aufgeschlagen habe.Dann reichte er die Blumen seinem schneidig eleganten Adjutanten weiter.Dieser wiederum griff hinter sich, ließ sich die Kornblumen von einem dritten Offizier abnehmen und sich von einem vierten zwei Kaiserbilder mit des Kaisers Unterschrift geben, um sie dem Primaner und mir zum Andenken an unsere Begegnung mit Sr.Majestät zu überreichen.Außerdem bekamen wir beide eine Ehrenkarte, die uns berechtigte, die Kaiserparade von einer Tribüne aus zu beobachten, die für einige Damen und Herren des Adels und für die Honoratioren der Stadt errichtet worden war.Die Parade fand im Anschluß an die Schulfeier statt.Ich rannte neben dem Primaner hinter der kaiserlichen Autokolonne her, die, von den jubelnden Menschenmassen zu beiden Seiten der Straße aufgehalten, nicht allzu rasch vorankam.»Daß man sich mit so was behängen muß!« sagte er und trieb mich vorwärts, »los, los, du trübe Tasse, geht’s noch?«Es ging, und es machte mich mächtig stolz, von ihm überhaupt beachtet und sogar leutselig angesprochen zu werden.Ich bewunderte ihn, denn er war der beste Turner der Schule und dazu das As unserer Schlagballmannschaft, die in den letzten Wettspielen alle bis auf die Kneiphöfer besiegt hatte und von denen auch nur unglücklich geschlagen worden war.Ein bildhübscher, drahtiger und eleganter Mensch, in dessen Adern blaues Blut floß, während ich, wenn ich mich in den Finger schnitt, nur ganz gewöhnliches rotes hergab.Wir versäumten nichts, denn ohne den Kaiser konnte die Parade nicht beginnen, und wir trafen nur wenige Minuten nach ihm auf Herzogsacker ein.Zuerst war es ja auch wirklich ein prächtiger Anblick, wie unsere Kürassiere in ihren weißen Uniformen mit den silbernen Brustharnischen und blitzenden Nackenhelmen in breiter Front anritten, gefolgt von schwarz uniformierter bespannter Artillerie, von klingenden Spielmannszügen und dem Stechschritt der Infanteristen.Und dann zog als Höhepunkt der Kaiserparade, hoch droben in der goldenen Septemberluft, von den Menschenmassen, die den Rand des Exerzierplatzes säumten, bestaunt und bejubelt, eine Rumpler-Taube ihre knatternden Schleifen
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