[ Pobierz całość w formacie PDF ]
.Von Anfang an war Miles Lord ihr wie ein sehr ordentlicher Mensch vorgekommen.»Im Gästebad sind Handtücher.Nehmen Sie sich einfach welche«, forderte Lord sie auf Russisch auf.»Und in dem Zimmer da drüben können Sie sich umziehen.«Akilinas Englisch war nicht schlecht, ihr Wortschatz jedoch begrenzt.Am Flughafen hatte sie Verständigungsprobleme gehabt, insbesondere als der Zollbeamte ihr Fragen stellte.Zum Glück hatte ihr Artistinnenvisum ihr eine problemlose Einreise ermöglicht.»Mein Schlafzimmer hat ein eigenes Bad.Bis gleich also.«Sie nahm sich Zeit und ließ das warme Wasser besänftigend über ihre müden Muskeln streicheln.Nach ihrem Zeitempfinden war es noch immer mitten in der Nacht.In ihrem Schlafzimmer fand sie einen Bademantel auf dem Bett und hüllte sich darin ein.Lord hatte erklärt, dass sie eine Stunde hatten, bis sie wieder zum Flughafen mussten und einen Flug Richtung Westen nahmen.Sie rubbelte sich das Haar trocken und ließ die wirren Locken lose über ihre Schultern herabfallen.Da im hinteren Schlafzimmer noch Wasser lief, ging sie davon aus, dass Lord noch unter der Dusche stand.Sie schlenderte ins Arbeitszimmer und betrachtete die Fotos, die an der Wand hingen und auf zwei Holztischen standen.Miles Lord stammte offensichtlich aus einer großen Familie.Es gab mehrere Aufnahmen, die ihn in verschiedenen Lebensabschnitten mit immer denselben jüngeren Männern und Frauen zeigten.Er war augenscheinlich der Älteste; auf einem Foto der ganzen Familie stand er als junger Erwachsener zwischen vier Brüdern und Schwestern, die ihm in geringem Altersabstand folgten.Einige Schnappschüsse zeigten ihn in einer Sportausrüstung; das Gesicht war von einem Helm mit Gesichtsschutz verdeckt, und seine breit gepolsterten Schultern steckten in einem nummerierten Trikot.Etwas abseits stand ein Bild seines Vaters.Es zeigte einen Mann um die vierzig mit ernsten, tiefbraunen Augen und kurz geschnittenem, schwarzem Haar, das zu seinem dunklen Teint passte.Seine Stirn glänzte von Schweiß, und er stand mit geöffnetem Mund und glänzenden, elfenbeinfarbenen Zähnen hinter einem Rednerpult, den Zeigefinger zum Himmel erhoben.Er trug einen Anzug, der maßgeschneidert wirkte, und an seinem ausgestreckten Arm glitzerten goldene Manschettenknöpfe.In der rechten unteren Ecke stand etwas in schwarzem Filzstift geschrieben.Sie nahm den Rahmen in die Hand und versuchte, es zu entziffern, doch hatte sie einige Mühe mit dem lateinischen Alphabet.»Dort steht: Sohn, schließe dich mir an«, sagte Lord auf Russisch.Sie drehte sich um.Lord stand in der offenen Zimmertür, barfuß und in einen kastanienbraunen Morgenmantel gehüllt.In seinem Halsausschnitt sah sie die muskulöse, dunkle Brust, die von gekräuselten, graubraunen Haaren bedeckt war.»Mit dem Bild versuchte er, mich dazu zu bringen, Geistlicher in seiner Kirche zu werden.«»Und warum haben Sie das nicht gemacht?«Er trat näher, und sie roch den Duft von Seife und Shampoo.Ihr fiel auf, dass er sich rasiert hatte, die zwei Tage alten Stoppeln um Kinn und Wangen waren verschwunden.Weder das Alter noch irgendwelche Schicksalsschläge hatten Spuren auf seiner schokoladenbraunen Haut hinterlassen, während in ihrem Heimatland die Menschen häufig verbraucht aussahen.»Mein Vater hat meine Mutter betrogen und uns ohne Geld sitzen lassen.Ich hatte keinerlei Bedürfnis, in seine Fußstapfen zu treten.«Akilina erinnerte sich, wie verbittert Lord am vergangenen Freitagabend bei Semjon Paschkow geklungen hatte.»Und Ihre Mutter?«»Sie hat ihn geliebt.Und liebt ihn immer noch.Sie will kein schlechtes Wort über ihn hören.Seine Anhänger waren genauso.Für sie war Grover Lord ein Heiliger.«»Keiner wusste von seinen Eskapaden?«»Keiner wollte es glauben.Mein Vater hätte dann einfach nur ›Diskriminierung‹ geschrien und vom Rednerpult herabgepoltert, wie schwer man einem erfolgreichen Schwarzen das Leben mache.«»In der Schule haben wir über amerikanische Rassenvorurteile gelernt.Dass Schwarze in der weißen Gesellschaft keine Chance hätten.Stimmt das?«»So war es, und mancher behauptet, das habe sich nicht verändert.Aber ich bin anderer Meinung.Dieses Land ist weit davon entfernt, vollkommen zu sein.Aber es ist ein Land der Möglichkeiten, wenn man seine Chancen nutzt.«»Haben Sie das getan, Miles Lord?«Er lächelte.»Warum machen Sie das?«Sie sah ihn verwundert an.»Dass Sie Vor- und Nachnamen verwenden.«»Einfach eine Gewohnheit.Ich wollte Sie nicht kränken.«»Nennen Sie mich Miles.Und um Ihre Frage zu beantworten, ja, ich sehe mich gerne als einen, der jede Chance genutzt hat.Ich habe intensiv studiert, und jeden meiner Erfolge habe ich mir hart erarbeitet.«32Moskau, 16.20 UhrHayes betrachtete Stefan Baklanow.Der Thronanwärter saß an einem Tisch mit seidenem Tischtuch den siebzehn Mitgliedern der Zarenkommission gegenüber.Der Große Saal im Facettenpalast war randvoll mit Zuschauern und Presseleuten, und in der Luft hingen Schwaden von blauem Qualm, da die Kommissionsmitglieder ständig rauchten.Baklanow trug einen dunklen Anzug und ließ sich durch die ausführliche Befragung nicht aus der Fassung bringen.Dies war sein letztes Erscheinen vor der Kommission, bevor am nächsten Vormittag über die drei Endkandidaten abgestimmt wurde.Neun Namen waren ins Rennen geschickt worden, von denen man dreien von vornherein keine Chance eingeräumt hatte.Zwei waren fragwürdig, vier galten jedoch unter Berücksichtigung der Blutsverwandtschaft und der Bestimmungen des Thronfolgegesetzes von 1797 als ernst zu nehmende Konkurrenten.Die Anfangsdebatte hatte sich auf die Heiratspraxis seit 1918 und die Verdünnung von Blutlinien konzentriert, die früher stark gewesen sein mochten.Jedem der neun Kandidaten hatte man ausreichend Zeit eingeräumt, vor der Kommission seine Sache zu vertreten und Fragen zu beantworten.Hayes hatte dafür gesorgt, dass Baklanow als Letzter vor der Kommission erschien.»Ich denke oft an meinen Ahnherrn«, sagte Baklanow mit tiefer, aber kräftiger Stimme ins Mikrofon.»In diesem Saal des Facettenpalasts kamen die Bojaren im Januar 1613 zusammen, um einen neuen Zaren zu wählen.Nach einem guten Jahrzehnt ohne Regenten war das Land von Kämpfen zerrissen.Die Gruppe, die damals zusammentrat, stellte konkrete Bedingungen auf, genau wie Sie, meine Herren.Nach langen Diskussionen und vielen verworfenen Vorschlägen wählte man einstimmig einen sechzehnjährigen Edelmann – Michael Romanow.Interessant dabei ist, dass man ihn im Ipatiew-Kloster fand, wo also die Herrschaft der Romanows begann, und dass es – dreihundert Jahre später – ein anderes Ipatiew-Haus war, das ›Haus für Sonderzwecke‹, wo die Herrschaft der Romanows endete.« Baklanow hielt inne.»Zumindest zeitweilig.«»Aber wurde Michael nicht nur deshalb ausgewählt«, fragte eines der Kommissionsmitglieder, »weil er einverstanden war, sich vor jeder Entscheidung mit den Bojaren zu beraten? So gab er der Duma der Bojaren wesentliche Züge einer Nationalversammlung.Haben Sie ebenfalls diese Absicht?«Baklanow rutschte auf seinem Stuhl herum, doch sein Gesicht blieb freundlich und offen.»Das war nicht der einzige Grund für die Wahl meines Vorfahren.Vor der Stimmabgabe machte man ein Meinungsbild und stellte fest, dass Michael Romanow allgemeine öffentliche Unterstützung genoss
[ Pobierz całość w formacie PDF ]