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.Es gehört wohl zu den angenehmen Schauern, die diese Romangattung in England auslöst, sich in der befreienden Illusion zu wiegen, dass nur auf dem Kontinent die menschliche Phantasie sich so verirren kann.3Walpole lebte lange genug, um noch zu erleben, was er angerichtet hatte.Er konnte sogar noch das Vorbild für Northanger Abbey lesen, The Mysteries of Udolpho (1794) von der gefeiertsten Autorin des gotischen Romans, Ann Radcliffe (1763–1823).Sie wiederum lebte lange genug, um Jane Austens Parodie ihres eigenen Buches noch zu erleben, dessen ungefähre Kenntnis das Verständnis von Northanger Abbey erleichtert:Mit dem Tod ihrer Eltern endet im Südwesten Frankreichs gegen Ende des 16.Jahrhunderts das idyllische Leben der kultivierten und bezaubernden jungen Emily St.Aubert fern von den korrupten Vergnügungen des Pariser Hofes.Aus dem väterlichen Landsitz La Vallée wird sie in die Obhut ihrer frivolen, übelgesinnten Tante gegeben.Nun beginnt ihre fünfhundert Seiten lange Leidens- und Schreckenszeit, an welcher der Leser immer aus ihrer eigenen Perspektive und daher mit denselben seelischen Erschütterungen teilnimmt.Die Tante heiratet einen Italiener von finsterem Charme, Montoni, der auch Emily mitnimmt nach Venedig, wo sie sich den Anträgen des Grafen Morano erwehren muss.Von hier siedelt die Gesellschaft nach Udolpho über, der alten gotischen Burg im Apennin, dem Schauplatz der finsteren und räuberischen Machenschaften Montonis und seiner brutalen Herrschaft über die beiden hilflosen Frauen.Emilys Tante, die ihrem Mann die Vollmacht über ihren Besitz verweigert, wird eingekerkert und hungert zu Tode.Emily durchlebt auf ihrem Zimmer, weitab von den anderen bewohnten Räumen der Burg und in einem Labyrinth von Treppen, Gängen und Zimmern oberhalb des undurchdringlichen Waldes, eine Zeit des Grauens: Morano dringt nachts in ihr Zimmer ein, zu dem es eine nur von der anderen Seite zu verschließende Tür gibt; Montoni versucht, ihr durch Einschüchterung und Gewalt das Erbe ihrer Tante wegzunehmen; um sie tobt der Bandenkrieg; sie erfährt von den Gefangenen in unterirdischen Gewölben, die sie selbst durchstreift; das geheimnisvolle Porträt der früheren Burgherrin, in deren jetzt verlassene Zimmer sie nachts eindringt, deutet auf vergangene Verbrechen.Ihr gelingt schließlich die Flucht mit dem französischen Gefangenen Du Pont, der sich nun um sie bewirbt.Aber sie hält ihrem Valancourt die Treue, den sie schon auf einer mit ihrem dabei sterbenden Vater unternommenen Reise durch Südfrankreich lieben gelernt hat.Auf dieser im ersten Buch des Romans in stimmungsvollen und malerischen Landschaftsbildern beschriebenen Reise ist auch auf die Geheimnisse von Schloss Chateau-le-Blanc hingewiesen worden, wohin Emily nun auf ihrer Flucht kommt, und hier entwirren sich im vierten und letzten Buch die Rätsel um Udolpho: Emily findet die frühere Burgherrin Laurentini als Nonne wieder.Sie hat aus Eifersucht Emilys Tante, die frühere Schlossherrin von Chateau-le-Blanc, ermordet und büßt ihre Untat in völliger Abgeschiedenheit von der Welt.Erst aus ihrer Lebensgeschichte auf den letzten Seiten des Buches enthüllt sich auch, was sich hinter dem schwarzen Seidenvorhang auf Udolpho verbirgt, der Catherine in Northanger Abbey so in Spannung hält (vgl.Anm.12).Emily heiratet ihren Valancourt, obwohl er in der Zwischenzeit vorübergehend den bösen Freuden der höfischen Welt zum Opfer gefallen ist:»Oh! Mit welchem Vergnügen lässt sich von einem Glück wie dem Emilys und Valancourts berichten, lässt sich erzählen, dass sie nach so viel Leiden unter der Drangsal der Bösen und der Verachtung der Schwachen schließlich zueinander und zum beständigsten Lebensgenuss zurückfanden, zu dem nämlich, Moral zu erwerben und sich um Bildung zu bemühen; zu dem angenehmen Umgang einer aufgeklärten Gesellschaft und zur Ausübung von Freigebigkeit, die immer ihr Herz erwärmte, während die Laubengänge von La Vallée wieder zur Heimstatt von Güte, Weisheit und häuslichem Glück wurden.«Ann Radcliffe ragt als Schriftstellerin über die Durchschnittsautoren der Schauerliteratur der Zeit hinaus.Sie fesselt ihre Leser dadurch, dass sie die Charaktere des Buches erst entwickelt, bevor sie sie in Abenteuer stürzt und dem Grauen aussetzt.Sie wechselt in geschicktem Rhythmus zwischen der Sentimentalität der Liebes- und häuslichen Szenen (die Abschiedsszene zwischen Emily und Valancourt, Buch 4, Kap.1, ist ein Meisterwerk der Kitschliteratur, bei dem die Tränen sicher heftig geflossen sind), den komischen Szenen mit dem Personal, den malerischen Landschaftsbildern, eingestreuten Stimmungs-, Gedanken- und Naturgedichten und den kunstvoll sich entwickelnden Episoden des Grauens, in denen das ganze von Jane Austen parodierte Arsenal des Schreckens mit hohem Schauer-und Stimmungswert eingesetzt wird: das Irren durch die endlosen Korridore, das Belauschen der fürchterlichen Pläne Montonis, die unerklärlichen Geräusche überall, die Panik beim Verlöschen der Kerze in dunkler Nacht usw.Zu den typischen Zügen aller Romane Ann Radcliffes und vieler anderer gotischer Autoren gehört es, dass das Übernatürliche nicht existiert.Alle scheinbar unerklärlichen Geschehnisse finden deshalb letzten Endes ihre natürliche Erklärung.Zu den Tugenden der Heldin gehört es daher, sich nicht so leichtfertig in Angst und Schrecken versetzen zu lassen wie die Dienstmädchen.»Ich habe zu viel Verstand, um den Einfluss des Aberglaubens zu beklagen oder selbst ein Opfer davon zu werden«, sagt in The Monk die schöne Agnes de Medina, die als schwangere Nonne allerlei im Kloster durchmacht und die allen Grund hätte, vorsichtig zu sein, denn der böse Abt Ambrosio ist mit dem Teufel im Bunde und wird am Ende des Romans auch von ihm geholt, und es braucht viel Geschicklichkeit, bis die blutende Nonne endlich aufhört zu spuken.Erst als ihre Gebeine beerdigt sind, erklärt sie sich bereit, im Jenseits zu bleiben und die Menschen künftig zu verschonen.Jane Austen kann bei ihren Zeitgenossen und allemal bei ihrer eigenen Familie voraussetzen, dass sie wissen, worauf sich in Ann Radcliffes Roman Henrys Anspielungen auf dem Weg nach Northanger und Catherines Abenteuer in dem alten Kloster – z.B.ihre Besessenheit von dem Gedanken, Henrys Mutter müsse das Opfer der Verbrechen ihres eigenen Mannes geworden sein – beziehen, denn einzelne Episoden sind deutlich bestimmten Szenen in The Mysteries of Udolpho nachgearbeitet – Zeichen ihrer Hochachtung, nicht Verachtung dieser Schriftstellerin.Im Hinblick auf das parodistische Spiel ist besonders das Gespräch zwischen Henry und Catherine auf der Reise (Kap.20) reizvoll, denn während Henry sich über Catherines Verfallenheit an den gotischen Roman lustig macht, beweist Jane Austen ironischerweise gerade aus seinem Munde, dass sie selbst, wenn sie gewollt hätte, durchaus eine gotische Autorin von Rang geworden wäre
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