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.Sie könnte überall sein.Also ging sie zu einer rothaarigen Frau hinüber, die an einem Tisch vor einem Café saß, nur wenige Schritte von der Bushaltestelle entfernt.»Entschuldigen Sie?«Die Frau blickte von einem kleinen ledernen Notizbuch auf, in das sie geschrieben hatte.Ihr Gesicht hatte einen verblüfften Ausdruck.»Wissen Sie, wo der Rodeo Drive ist?« Susannah setzte Stephen von einer Hüfte auf die andere.Die Frau musterte sie von oben bis unten – als würde sie sich ausrechnen, wie viel Susannah für ihr Outfit ausgegeben hatte, oder, schlimmer noch, als bezweifelte sie, dass ihr die Sachen wirklich gehörten.Dann seufzte sie und ließ den Blick zur Straßenecke schweifen.»Hier gleich rechts«, sagte sie.Susannah lächelte dankbar.»Übrigens«, fügte die Frau hinzu, wobei ihr Gesicht sich zu einem bösartigen Lächeln verzog, sodass Susannah am liebsten eine Glühbirne hervorgeholt und sie nach dem Miststück geworfen hätte, »es heißt Roh-day-oh Drive.Nicht Roa-dy-oh.«»Vielen Dank«, sagte Susannah und ging in die Richtung, die ihr die Frau genannt hatte.Woher sollte sie wissen, dass es nicht so ausgesprochen wurde, wie es nahelag? Rodeo.Eben wie ein.Ro-de-oh.Schließlich war sie hier im Westen, oder?Frauen taxierten andere Frauen mehr als Männer, obwohl Männer sie anders taxierten.Außer schwulen Männern, die sie genauso taxierten, wie Frauen es taten.Bei Männern, die dich anmachen wollten, änderte es auch nichts, wenn du ein Baby dabei hattest.In Wahrheit taten ihr die vielen bewundernden Blicke sogar gut.Sie hatte das Übergewicht von der Schwangerschaft verloren, und in diesem tollen Outfit sah sie richtig gut aus.Und sie hatte jetzt sogar eine noch bessere Figur, wo ihre Brüste so groß waren vom Stillen.Besser als Implantate.Und Stephen war so niedlich, dass die Leute einfach nicht den Blick von ihnen beiden abwenden konnten.Es war so ein gutes Gefühl, dass sie beinahe wünschte, es wäre ihr richtiges Leben.Den Rodeo Drive hinunterzugehen, das Baby in seinem nagelneuen Buggy zu schieben, nichts Besseres zu tun zu haben, als einen Schaufensterbummel zu machen und darüber nachzudenken, irgendwo einen Happen zu essen.Die Schaufenster waren so sauber, die Scheiben waren – nicht bloß durchsichtig, sondern richtig unsichtbar.Und die Geschäfte waren so edel, bei der Hälfte von ihnen brauchte man einen Termin, um überhaupt reinzukommen.Und alles war in den Auslagen so arrangiert, als wäre es etwas Heiliges.Brillen lagen in Vitrinen, die sich drehten, damit sie von allen Seiten zu sehen waren, wie kostbare Juwelen.Und in einem Schaufenster lag eine Handtasche.Eine einzige Handtasche, mehr nicht!Alles schimmerte und glänzte, sogar die Leute.Susannah überprüfte ihr Aussehen, betrachtete ihr Spiegelbild in der Schaufensterscheibe.Und siehe da! Sie passte hierher, ja wirklich – sie sah aus wie die Frau von jemandem, einem Produzenten oder so.Oder vielleicht auch, als wäre sie selbst eine Produzentin, die mit ihrem Baby einkaufen ging, auf der Suche nach Ohrringen oder einem Teppich.Ein gutes Gefühl.Es war sogar ein so gutes Gefühl, dass sie schon ein schlechtes Gewissen bekam.Aber Solange hatte ihre Route persönlich ausgearbeitet, mit Hilfe dieser kleinen Stadtpläne im Computer.Sie wusste also genau, welche Busse sie nehmen und durch welche Viertel sie gehen sollte.Alles Übrige war ihr überlassen.Sie konnte die Glühbirnen deponieren, wo sie wollte – in einem Bus, einer Mülltonne, im Rinnstein neben einem parkenden Wagen –, Hauptsache im richtigen Stadtviertel.Nur so war sichergestellt, dass sie die Ergebnisse überprüfen konnten.Und außerdem waren es ausschließlich Viertel von Wohlhabenden, denn, nun ja … wer verbrauchte die meisten Bodenschätze? Wer richtete den größten Schaden an?Und hier war praktisch der Bauch der Bestie, genau hier – das Schickimickizentrum, wie Solange es nannte.Vielleicht aber auch nicht.Aber so was in der Art.Das Zentrum der Verschwendungssucht.Genau hier, auf dem Rodeo Drive.Roh-day-oh Drive.Es war bloß noch eine Glühbirne übrig.Sie hatten nämlich nur etwa ein Dutzend hergestellt.Susannah blieb auf dem Gehweg vor dem ›Bijan’s‹ stehen, rückte den kleinen Schirm zurecht, der Stephens Augen vor der Sonne schützte.Dann griff sie in die Windeltasche, nahm die Glühbirne heraus, ging damit auf die Straße und legte sie vorsichtig neben den Rinnstein, wo ganz sicher ein Auto darüber fahren würde.Aus der anderen Richtung kam eine Gruppe von Leuten, lachend.Sie hatten große weiße Zähne und einen raubgierigen Blick, sodass sie am liebsten sofort auf die Glühbirne getreten wäre.Aber sie tat es nicht – nicht etwa weil ihr dann schlecht werden würde, sondern weil sie Schuhe anhatte, die bei Joan & David hundertzweiundneunzig Dollar kosteten, und dann konnte man sie nicht mehr zurückbringen.Was bedeutete, sie würde sie behalten müssen.12Washington, D.C.17.April 1998Es war Mitte April, und die Stadt erstrahlte im Frühling.Bei seiner Rückkehr aus Santa Fe merkte Frank, dass der Winter sich verabschiedet hatte.Alles war wie verwandelt.Die Straßen und Parks und Grünstreifen waren ein Tulpen- und Azaleenmeer, und die Sträucher standen in voller Blüte.In seiner Wohnung angekommen, warf er den Koffer aufs Bett, zog sich T-Shirt und Laufschuhe an und ging joggen, um seine steifen Glieder nach dem langen Flug wieder in Schwung zu bringen.Er lief durch den Rock Creek Park und folgte dem Fahrradweg.Unweit des Zoos war der schwarze Asphalt über einen halben Kilometer hinweg mit abgefallenen Kirschblütenblättern übersät.Immer mal wieder löste eine Windböe einen Schauer Blütenblätter aus, die wie Konfetti durch die Luft wirbelten.Vergiss Paris, dachte er.Einige wenige Wochen im Frühling war Washington die schönste Stadt der Welt.Vielleicht kam es ihm aber auch nur so vor, weil er die letzten zwei Wochen in Pick-ups durch die Wüste gebraust war, wo es nichts als Sand und Steine und Gestrüpp gegeben hatte.Ein einzelner Busch Spanischer Flieder wäre ihm wie ein Wunder erschienen.Er hatte ein Ärzteteam begleitet, das in der Gegend von Four Corners, also dem Punkt, wo sich die Grenzen von Arizona, Colorado, Utah und New Mexico berühren, daran arbeitete, einen Ausbruch des Hanta-Virus einzudämmen.Bislang gab es erst zwei Fälle, die über hundertfünfzig Kilometer voneinander entfernt aufgetreten waren, aber bei einem Virus, das siebzig Prozent der Infizierten tötet, wollte niemand ein Risiko eingehen.Manchmal lagen die überprüften Haushalte auf Reservatsgebiet und manchmal nicht.In jedem Fall war es schwierig, die Erlaubnis zu bekommen, Fallen aufzustellen, Blutproben zu nehmen oder Häuser zu inspizieren.– Sie wollen mein Haus auf Mäusescheiße kontrollieren? Wer sind Sie denn überhaupt?– Wir versuchen, eine Epidemie zu verhindern – wie es ‘93 hier eine gegeben hat.– Und die Mäuse … verursachen sie?– Ja.In gewisser Weise.Es ist ein Virus.Die Mäuse verbreiten es.– Ach nee.Und wie heißt das Virus?– Sin Nombre.– Das soll der Name sein? Ohne-Namen-Virus?Ganz genau.Sie wollen mich wohl verscheißern …Einige Leute erinnerten sich an ‘93.Das Fieber.Die Panik.Die Sterbenden.Sie wussten mehr über Sin Nombre, als ihnen lieb war, und sie fanden den Namen nicht lustig.Aber diejenigen, die damals nicht dabei waren oder nichts mitbekommen hatten, konnten mit dem Namen nichts anfangen und setzten eine Miene auf, die sagte.Das glauben Sie doch selbst nicht.Was Besseres fällt ihnen wohl nicht ein – eine Krankheit, für die es nicht mal einen Namen gibt!Andere reagierten misstrauisch.– Sie wollen mich auf Antikörper testen? Wenn es um HIV geht, dann sagen Sie es doch gleich, und kommen Sie mir nicht mit so einem Sin-Nombre-Scheiß
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