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.Um sieben, als der Zug eigentlich in Zovgorod ankommen sollte, waren es noch gut 60 Kilometer bis zur Hauptstadt.Von Schlaf war keine Rede mehr gewesen.Die Bahnbeamten waren durch den Mord völlig verstört, so daß sie die Passagiere abwechselnd beschimpften oder sie um Rat und moralische Unterstützung baten.Eines war klar: Wer immer den Gesandten erschossen hatte, hatte auch die Notbremse gezogen und den Zug durch die Tür, die er in der Eile zu schließen vergessen hatte, verlassen.Carruthers erwähnte die beiden Männer nicht, die er übers Feld hatte rennen sehen, weil er nicht wegen einer Zeugenaussage aufgehalten werden wollte.Zum Glück waren sie aber auch noch von einem andern Reisenden beobachtet worden, und dies, zusammen mit der Tatsache, daß die beiden Reisenden mit den martialischen Schnurrbärten, die Carruthers aufgefallen waren, nirgends zu finden waren, verstärkte den Verdacht der Bahnbeamten.Der Zwischenfall hatte Carruthers noch einiges mehr erklärt.Offenbar war Rovzidsky verdächtigt worden, in London mit Cator & Bliss heimlich verhandelt zu haben.Die Gräfin Schverzinsky hatte ihn nicht bloß in die Heimat begleitet, um seinen Kontakt mit Groom zu unterbinden, sondern auch, weil man in Ixanien besser mit ihm abrechnen und Vorgänge leichter vertuschen konnte als anderswo.Hätte Rovzidsky bemerkt, daß man sein Doppelspiel durchschaut hatte, wäre er sicher im Ausland geblieben.Die Gräfin hatte ihn zwar nicht daran hindern können, in Basel Groom zu treffen, aber – Carruthers erinnerte sich an den Aufpasser mit dem Kaninchengesicht – seine Begegnung war ihr berichtet worden.Rovzidskys Richter waren in Bukarest zugestiegen.Die Gräfin, die den Verräter abgeliefert hatte, war an der Grenze rasch vom Zug in den Mercedes umgestiegen und verschwunden.Die beiden hatten ihren Auftrag erledigt, die Notbremse gezogen und sich in einer Gegend in die Büsche geschlagen, wo eine sofortige Verfolgung unmöglich war.Eines war ganz klar: Die Gräfin Magda Schverzinsky verzichtete auf Zeremoniell, wenn es um die Vernichtung ihrer Feinde ging.Groom, der in seiner Ecke saß und brütete, war nicht sehr mitteilsam.»Er wußte zuviel«, war seine vorsichtige Antwort, als Carruthers versuchte, das Mordmotiv zu diskutieren.Über die beiden mutmaßlichen Täter jedoch gab er gnädigst eine Meinung ab.»Vielleicht erinnern Sie sich an die Geheimgesellschaft ›Die Schwarze Hand‹, die in Mazedonien vor einigen Jahren in Blüte stand.Ixanien hat heute eine ähnliche Organisation.Sie nennt sich läppischerweise ›Der Rote Fehdehandschuh‹, und ihre Mitglieder stammen, wie das auch bei der Schwarzen Hand der Fall war, zumeist aus Offizierskreisen.Sie geben sich als patriotischen Verein aus, aber ihre Spezialität ist politischer Terror.Die Schwarze Hand hatte damals eine ungeheure politische Macht.Sie hatte die Finger praktisch in jeder Regierungsangelegenheit und stellte aus den eigenen Reihen auch Kabinettsminister, Richter und Generäle.Der Rote Fehdehandschuh ist weit weniger mächtig.Er ist lediglich so etwas wie die rechte Hand der aristokratischen Partei.Dieser Mord da sieht ihm ähnlich.«Er zündete sich eine Zigarre an und fügte verdrossen hinzu:»Aber das Unangenehmste an diesem Land ist, daß sie in ihren Zügen keine Speisewagen führen.«Carruthers fragte sich, ob sein Versagen allenfalls wohl auch so ruhig hingenommen werden würde.Sein Blick traf den seines Gegenübers.Groom lächelte sein verächtliches Lächeln.Aber in seinen Augen stand etwas anderes.Unwillkürlich schauderte es Carruthers.Zum ersten Mal hatte er Angst.7.Kapitel23.April bis 8.MaiZovgorod ist sehr schön gelegen.In einem Kessel, der von drei Tälern gebildet wird, ist die Stadt vor den kalten Winden aus dem Norden und den heißen trockenen aus dem Süden geschützt.Das Klima ist für Balkanverhältnisse gemäßigt, und wenn die Natur so vorsorglich gewesen wäre, den Fluß Kuder schiffbar zu machen, hätte Zovgorod eine bedeutende Handelsmetropole sein können.So aber hat Zovgorod bloß strategische Bedeutung, und das ist schlecht für eine Stadt im Balkan.Die Stadt liegt auf dem Weg, den eine Kriegsmacht einschlägt, wenn sie von Süden nach Norden vordringt, und zwar ausgerechnet an einem Punkt, wo einem solchen Heer leicht von Westen her Einhalt geboten werden kann.Türken, Slaven, Römer und Germanen haben sich dieses Gebiet während Jahrhunderten streitig gemacht.Wellen von Erobererarmeen sind über die Stadt hinweggebrandet, bald von Westen, bald von Osten, und haben Spuren fremder Kultur und fremden Blutes hinterlassen.Die kulturelle Erbschaft hat sich positiv ausgewirkt.Überall in Zovgorod gibt es Beispiele seiner wechselvollen Geschichte.Der Einfluß vieler westeuropäischer Stile auf eine zur Hauptsache byzantinische Architektur hat zum großen Teil Bauwerke von eigenem Reiz entstehen lassen, und Klarheit und Nüchternheit bewahrten die Stadt vor dem Absinken ins Kitschig-Pittoreske.Die moderne Zivilisation hatte noch wenig Gelegenheit, ihre zweifelhaften Wohltaten über die Stadt auszuschütten, und die alten Stadtteile haben nichts von ihrer düsteren Würde verloren, einer Würde, der selbst der Gestank der Abwässer wenig anhaben kann.Der Gestank Zovgorods war jedoch immer das, was den wenigen exzentrischen Touristen, die zu Besuch kamen, von dieser Stadt in Erinnerung blieb.So vorsorglich die Natur auch in bezug auf die Winde war, so nachlässig war sie, was die Abwässer betraf.Der Kuder wäre an sich brauchbar zur Abwasserbeseitigung gewesen, aber er war, schon bevor ein Schweizer Syndikat eine Konzession für ein Elektrizitätswerk erhielt und einen Damm baute, ein sehr launischer Fluß, der mit Hochwasser daherschäumte und die Keller der Stadt überflutete oder aber stagnierte und zu einem Brutkasten für Typhus wurde.Als Carruthers nach Zovgorod kam, war der Fluß seit Jahren ein manierliches Wässerchen, der stetig vom Stausee hoch oben im Tal herabfloß.Aber selbst wenn die Natur ein Kanalisationssystem geschaffen hätte, ist es zweifelhaft, ob die Einwohner von Zovgorod sich auch die Mühe genommen hätten, es zu benutzen.So sehr der Stadt die fremden Kulturen genützt haben, so sehr schadete ihr die Rassenvermischung.Es heißt, daß der Mischling die schlechten Eigenschaften beider Eltern mitbekommt.Diese Theorie ist zweifellos nicht richtig, aber der ixanische Bourgeois ist ein Paradebeispiel für diese Behauptung.Die Mehrzahl dieser Bürger ist von gemischter Herkunft.Die meisten von ihnen leben in Zovgorod.Der ixanische Bauer ist weder fauler als der Bauer anderer Länder noch charakterloser.Außerdem hat er die Fähigkeit, aus der Haut seiner geliebten Schweine die feinsten Borsten, die es auf der Welt gibt, zu gewinnen.Bis vor kurzem bestand die Hauptbeschäftigung in Zovgorod darin, eine Kauf-, Verkauf- und Verteilungsorganisation von einmaliger Unredlichkeit, Untauglichkeit und Raffgier zu betreiben, um diese Borsten und andere Erzeugnisse bäuerlichen Fleißes an den Mann zu bringen.Jeder junge Zovgoroder hatte den Ehrgeiz, Kaufmann zu werden.Das heißt, wenn er nicht zur Offizierskaste gehörte.Aber auch in diesem Fall ließ er sich von den Bauern aushalten, bloß auf dem gesetzlicheren Wege der Besteuerung.All dies und noch mehr hatte Carruthers bei gelegentlichen Gesprächen mit Groom bei den Mahlzeiten erfahren.In der Zwischenzeit sah er wenig von ihm
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